Ernst Krähmer (1795-1837):
Rondeau hongrois op. 28
Wie der Name schon sagt, ungarische Musik, die auch gängige Klischees von ungarischer Musik als Csardas-Folklore bedient und wie zuvor ausgeführt nicht trennscharf abzugrenzen ist vom Konglomerat einer bis weit in die Nationalromantik reichenden ungarisch-türkisch-balkanischen Südosteuropa-Gesamtfolklore.
Krähmer bezieht sich anfangs auf den üblichen Ablauf von langsamem und schnellem Teil („Lassu" - „Friss"). Schon die üppigen, stilgerechten Verzierungen und charakteristischen Quartsprünge deuten auf persönliche Erfahrung mit ungarischer Unterhaltungsmusik, was bei einem europaweit gefeierten Virtuosen des K&K-Hoforchesters auf der Hand liegt.
Für den Csakan bzw. wahlweise die Sopranblockflöte sind zahlreiche technische Herausforderungen vorgesehen, nicht zuletzt durch temperamentvolle Oktavvorschläge und rasante Zweiunddreißigstel-Läufe.
Die Begleitung ist fakultativ am Klavier oder an der Gitarre möglich und zeigt im Klavierpart typische Begleitfiguren der Csardas-Musik im alternierenden Wechsel von Bassoktaven in der linken und nachgeschlagenen Akkorden in der rechten Hand.
Der Aufbau des Rondos ist absolut originell, da Krähmer der eigentlichen Reihungsform ein ganz neues Gepräge verleiht und stets neuartige Ideen aus den vorigen Abschnitten hervorgehen lässt, also konsequent einen Entwicklungsgedanken verfolgt, der einer bloßen Aneinanderreihung bunt gemischter Einfälle durch eine dramaturgisch zwingende Einheit entgegenwirkt - ohne Beethovens Hybridform eines Sonatenrondos zu kopieren: Dem Ritornell mit seinen charakteristischen Pralltrillern und verzierungsreichen Kadenzfiguren geht eine langsame, rhapsodische Einleitung voraus, es folgen im bunten Wechsel von C-Dur, b-Moll und F-Dur drei weitere Tempo-Anläufe im Csardas-Stil, bevor der Schwung völlig ausgebremst wird, um den Anfangsteil reprisenähnlich zu wiederholen. Ein letztes Beschleunigen zu wirbelnden Triolen erstirbt in einem Zitat des Anfangs, sodass sich der Kreis von sprudelnd ineinanderfließenden Ideen lückenlos schließt.
Dass ein ritardando abgebremster und dahingehauchter Schluss nach dermaßen feurigen ungarischen Temperamentsausbrüchen im Widerspruch zur csardastypisch provozierten Entfesselung von Beifallsstürmen steht, dürfte Krähmer dazu bewogen haben, seine gewagte Konzeption, die Csardas-Mode gegen den Strich zu bürsten, mit angehängtem zweifachem Fortissimo-Tusch zu relativieren.
Wir haben hier wie auch an wenigen anderen Stellen - besonders in der langsam-rhapsodischen Einleitung - Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, den leider nur dezenten und nicht mit Schellen besetzten Janitscharenzug des originalen Conrad-Graf-Hammerflügels effektfoll einzusetzen: Ansatzweise wird der Hörer eine Ahnung davon bekommen, welchen Eindruck diese kriegerische Feldmusik auf den militärischen Gegner gemacht haben mag.
© 2012, Peer Findeisen